"Ich glaube nicht an die Naturwissenschaft."
Jemand, der ein strombetriebenes, internetfähiges Gerät dazu nutzt, diese Website zu betrachten, kann unmöglich behaupten, nicht an "die Naturwissenschaft" zu glauben. Um Strom zu nutzen und einen Pixel auf einem Bildschirm erscheinen zu lassen, sind jede Menge naturwissenschaftlicher Problemlösungen erforderlich. Dass ein Auto fährt oder ein Flugzeug fliegt, sind überzeugende Belege für die Erfolge der Naturwissenschaft. Es gibt keine anderen vorstellbaren Gründe als naturwissenschaftliche Erkenntnisse dafür, dass Menschen Computer und Autos und Flugzeuge bauen können. Das zu leugnen wäre Unsinn.
"Glaube und Wissenschaft liefern einfach unterschiedliche Erklärungen für dieselben Dinge."
Diese Aussage ist zwar richtig, aber die Art und Weise von Erklärungen unterscheiden sich voneinander. Wissenschaftliche Forschung basiert auf wiederholbaren Experimenten. Das heißt, wer wissenschaftlich arbeitet, kann voraussehen, unter welchen Umständen welche Ereignisse eintreten. Würde Gott dafür sorgen, dass das Licht angeht, wenn Menschen den Schalter umlegen, wäre er nichts weiter als eine Art unsichtbarer Kaugummi-Automat. Die Frage ist, welche Erklärung für das Aufleuchten stimmiger ist - diejenige, die voraussagt, unter welchen Bedingungen was geschehen wird, oder diejenige, die alles einem unberechenbaren Gott zuschreibt. Dem Wesen nach ist die auf Gott basierende Erklärung einer Tatsache wesentlich schwächer als diejenige, die auch Voraussagen erlaubt.
"Wenn du es nicht wissen kannst, dann schreib es auch nicht."
Wenn du es nicht wissen willst, dann lies es doch nicht.
"Von Gott kann man nur durch den Glauben erfahren. Die wissenschaftliche Herangehensweise greift hier nicht."
Es gibt einige Dinge, deren Existenz man tatsächlich allein aus sich selbst heraus wissen kann, zum Beispiel die Gefühle. Um herauszufinden, dass ich traurig bin, brauche ich keine wissenschaftliche Erkenntnismethode zu bemühen. Wer jedoch behauptet, dass man durch seinen Glauben etwas über Gott erfahren könnte, müsste auch behaupten, dass jemand, der Angst vor Vampiren hat, damit belegen könne, dass es Vampire gibt. Das ist natürlich Quatsch. Wer an Gott glaubt, hat eben nur ein Gefühl, das ist alles. Unser Gefühl täuscht uns häufig.
Aber nehmen wir mal an, dass es wissenschaftliche Erkenntnisse zugunsten der Existenz Gottes gäbe. Alle Gläubigen würden diese Erkenntnisse sofort heranziehen, um die Existenz Gottes damit zu belegen, anstatt wie vorher zu behaupten, dass man von Gott nur durch den Glauben erfahren kann. Jede Art von Belegen zählt für Gläubige, aber keine Art von Gegenbelegen.
"Es gibt aber viele naturwissenschaftliche Theorien, die bereits widerlegt worden sind."
Das ist vollkommen richtig. Es wäre deshalb naiv zu glauben, dass wir heute nur noch über korrektes naturwissenschaftliches Wissen verfügen. Aber weder ist das ein Argument für die Existenz Gottes, noch ist es ein Grund, mit der Naturwissenschaft aufzuhören.
Wenn ich einem Kind erkläre, wie die Welt funktioniert, gehe ich das Risiko ein, mich in einigen Details zu irren, das ist klar. Nun aber vollkommen damit aufzuhören oder bei der Funktionsweise eines Apparates zu behaupten, er werde von der Gummibärchenbande angetrieben, ist absurd. Um in den Genuss guter Theorien zu kommen, muss man eben naturwissenschaftlich vorgehen. Irrtümer sind immer möglich, aber ein einzelnes (irriges) Experiment wird eben nicht als Grundlage neuen Wissens angesehen. Experimente werden wiederholt, erst dann werden daraus Erkenntnisse abgeleitet.
Natürlich sind einige naturwissenschaftliche Theorien unvollständig, aber das ist eben ein Grund, weiterzuforschen. Welchen Sinn sollte es haben, alles über den Haufen zu werfen?
"Im Laufe der Zeit wurde immer wieder das wissenschaftliche Weltbild völlig neu entwickelt. Warum sollte man ihm jetzt vertrauen?"
Diesem Argument liegt eine gute Beobachtung zugrunde, weshalb es mir einigermaßen sympathisch ist. Häufig wird aber übersehen, dass die Art der Wissenschaft sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende so stark verändert hat, dass "echte Wissenschaft", wie wir sie heute sehen, erst seit ein paar hundert Jahren die Zügel übernommen hat. (Man darf sich für die Ausbremsung der Wissenschaft übrigens auch bei der Kirche bedanken, die die Verkünder unliebsamer Gedanken bekanntermaßen kurzerhand foltern und verbrennen ließ, aber dies nur am Rande.) Ihr Vorläufer war vor allem die Naturphilosophie. Wissenschaft zu betreiben bedeutet heute zumeist, systematisch objektive Fakten in wiederholbaren Experimenten zu sammeln und sie in Hinblick auf eine Theorie zu interpretieren, wobei die Interpretation die einzige angreifbare Komponente sein sollte.
Das war früher anders, so dass wir heute durchaus eine fundamental andere und bessere Basis, ja, überhaupt eine belastbare Basis für Aussagen über die Welt haben. Dazu kommt, dass die Welt heute in viel höherem Ausmaß durchsetzt ist von Maschinen, die diese Aussagen überprüfen. Würde die Relativitätstheorie nicht funktionieren, gäbe es kein GPS, so einfach ist das. Dadurch, dass wir GPS alltäglich nutzen, wird die Relativitätstheorie auch immer wieder verifiziert. Insofern ist dies die richtige Zeit, sich mit der Wissenschaft zu beschäftigen.
"Gott gibt es, aber man weiß nicht, was er ist oder was er macht."
Man kann nicht an etwas glauben und gleichzeitig nicht wissen, was das ist, woran man glaubt. Zumindest irgendwelche Eigenschaften Gottes müssten bekannt sein, ansonsten ist es ein völlig inhaltsloser Glaube und somit auch kein Glaube. So etwas nennt man normalerweise "Ich weiß es nicht."
"Die Naturwissenschaft hat auch Probleme, gewisse Dinge zu erklären!"
Ja, sicher. Es ist für Evolutionsbiologen schwierig, zum Beispiel die kambrische Explosion zu erklären, in der sich vor etwa 540 Millionen Jahren viele verschiedene Grundbaupläne für vielzellige Tiere in der recht kurzen Zeit von 50 Millionen Jahren entwickelten. Die kambrische Explosion ist ein Phänomen, welches traditionelle Evolutionsbiologen nicht erwarten würden und nicht gut erklären können, aber das heißt nicht, dass der komplette Ansatz der Evolution widerlegt wäre. Niemand kann ernsthaft behaupten, dass im Kambrium zu viele verschiedene Arten entstanden sind und dass nur aus diesem Grund die Evolution Quatsch wäre. Die kambrische Explosion widerspricht nicht grundsätzlich der Evolution, und man kann nicht generell erwarten, dass Naturwissenschaftler auf alle Details eine Antwort haben. Wenn es Menschen gibt, die dieses Problem lösen können, dann sind es Naturwissenschaftler.
Man freut sich häufig über wissenschaftlichen Fortschritt, aber das bedeutet auch, dass man irgendwann etwas weiß, was man vorher nicht wusste. Nun sind wir eben in der Situation, dass wir etwas noch nicht wissen, und das müssen wir leider akzeptieren. Freuen wir uns auf eine Zeit, in der wir die kambrische Explosion erklären können, und zwar mit den Mitteln der (nicht unbedingt klassischen) Evolutionstheorie. Auch die Evolutionstheorie ist, weil sie kein wissenschaftliches Dogma oder eine heilige Schrift ist, Veränderungen und Weiterentwicklungen ausgesetzt. Sie ist in vielen Jahrzehnten immer wieder im Detail angepasst worden, um dem Stand der Wissenschaft gerecht zu werden.